Dienstag, 3. Juli 2018

Chrestomathia Erdoganica (2) – eine lyrische Posse

von Corax
zuerst veröffentlicht 2008 in Kewils Blog "Fakten-Fiktionen"


Die Minarette sind Bajonette, die Kuppeln Helme;
Die Moscheen sind unsre Kasernen, die Gläubigen Soldaten.

Dies ist ein Gedicht. Im türkischen Original reimt es sich. Es hatte in der Türkei für einen ordentlichen Rummel gesorgt und stand auch bei uns in den Zeitungen. Wahrscheinlich gehört es zu den in Westen bekanntesten Versen aus der türkischen Lyrik. Was sich aber im Westen noch nicht so herumgesprochen hat: Das Gedicht ist getürkt.

Es ist das Gedicht, das Erdogan eine Haftstrafe von vier Monaten wegen Volksverhetzung einbrachte und auf Grund dessen er ganz von der politischen Bühne verschwinden sollte. Und aus den Medien “wissen” wir auch, daß es von dem “türkischen Nationaldichter Ziya Gökalp” stammt, z.B. aus der Weltwoche Nummer 19 vom Jahre 2007:
in den neunziger Jahren löste der damalige Bürgermeister von Istanbul und heutige türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan einen Skandal aus, als er öffentlich inbrünstig ein Gedicht des Türkentum-Ideologen Ziya Gökalp rezitierte: «Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Kuppeln unsere Helme, die Minarette unser Bajonette und die Gläubigen unsere Soldaten.»

Doch das Gedicht stammt nicht, wie von Erdogan stets behauptet, von Gökalp. Ziya Gökalp (1876 – 1924) gilt als ein Vordenker der modernen Türkei und Mitbegründer der nationalen Ideologie des Türkentums. Das Gericht konnte Erdogans Behauptung, daß das Gedicht von Gökalp stamme, nicht widerlegen, und so erreichte Erdogan den Effekt des Eindrucks, er sei verurteilt worden, weil der einen Vordenker der modernen Türkei zitiert hat.

Was war geschehen?

Am 26. Dezember 1997 hält Erdogan, Oberbürgermeister von Istanbul, auf dem “Platz der Republik” in der Geburtsstadt seiner Frau Emine, dem ostanatolischen Siirt – Erdogan ist Ehrenbürgerschaft dieser Stadt – vor einer etwa fünftausendköpfigen Menschenmenge folgende mehrmals von Allahu-Akbar-Rufen unterbrochene Rede (1):

“In der Türkei gibt es keine Gedankenfreiheit und es wird Rassendiskriminierung betrieben. Unsere Referenz ist der Islam. Sie werden uns niemals einschüchtern können. Sogar im Westen haben die Menschen Glaubensfreiheit. Warum hat man davor in der Türkei keine Achtung? Die Minarette sind Bajonette, die Kuppeln Helme; die Moscheen sind unsre Kasernen, die Gläubigen Soldaten. Niemand wird den Gebetsruf zum Schweigen bringen können. Wir werden der Rassendiskriminierung in der Türkei auf jeden Fall ein Ende setzen. Denn die Wohlfahrtspartei steht in ihrem Denken im Widerspruch zu den anderen Parteien. Sie werden uns niemals einschüchtern können. Auch wenn Himmel und Erde auseinanderbrechen, eine Sintflut sich über uns ergießt, Vulkane über uns ausbrechen, werden wir auf unserem Weg nicht umkehren. Meine Referenz ist der Islam. Wenn ich diesen nicht umsetzen kann, welche Bedeutung hat dann mein Leben noch? Sogar im Westen haben die Menschen Glaubensfreiheit. In Europa bringt man dem Gebet und dem Kopftuch Achtung entgegen. Aber in der Türkei werden Blockaden dagegen errichtet. Warum bringt man dem in der Türkei keine Achtung entgegen? Niemand wird den Gebetsruf zum Schweigen bringen können. Denn da, wo der Gebetsruf schweigt, können die Menschen keine Ruhe haben. Man kann die Kurden, Araber und Tscherkessen nicht diskriminieren. Denn das Dach, unter dem sich alle Menschen vereinen, ist der Islam. Wir werden der Rassendiskriminierung in der Türkei auf jeden Fall ein Ende setzen. Die Menschen, die diese Zustände geschaffen haben, sollen sich schämen.”


So die von der türkischen Presse überliefert Rede, auf Grund derer Erdogan 1998 wegen Volksverhetzung zu 10 Monaten Haft (von denen er dann im Jahre 1999 gemäß des Strafvollzugsgesetzes 4 Monate absitzt), einer Geldstrafe und lebenslänglichem Politikverbot (das dann später unter der Regierung Gül infolge einer entsprechenden Gesetzesänderung aufgehoben wird) verurteilt wurde.

Erogan behauptete vor Gericht, daß das rezitierte Gedicht von Ziya Gökalp stamme, und niemand konnte ihn darin stichhaltig widerlegen – bis zum Jahre 2002.

Im September 2002 schrieb der Journalist Murat Bardakçi in einem Artikel in der Hürriyet (2), daß er sich schon während des Prozesses gegen Erdogan für diese mysteriöse Minarettenverse interessiert habe. Wie er schreibt, wurde durch den Prozeß eine hitzige Debatte um das Gedicht entfacht: Stammten die Verse wirklich von Gökalp oder nicht, und wie sind sie zu bewerten? Niemand konnte seine Ansicht darüber schlüssig beweisen. Erdogans Rechtsanwälte gaben als einzige Quelle das vom Türkischen Institut für Normung (entspricht dem deutschen DIN) im Jahre 1994 veröffentlichte Buch “Türke und Türkentum” an. Tatsächlich sind dort sind diese Verse mit der Autorenangabe “Ziya Gökalp” abgedruckt. Bardakçi suchte aber nach der Originalquelle. Er durchforstete alle Ziya-Gökalp-Ausgaben und Bibliographien, derer er habhaft werden konnte. Ohne jeden Erfolg. Daraufhin bat er Prof. Dr. Inci Enginün, eine Koryphäe auf dem Gebiet der neueren türkischen Literatur, um Hilfe. Auch sie begann zu forschen – ebenfalls ohne Erfolg. Erdogans Minarettenverse kamen in den Schriften Ziya Gökalps einfach nicht vor.

Mitten in der Ziya-Gökalp-Debatte und kurz bevor das Kassationsgericht Erdogans Verurteilung bestätigte, geschah, wie Bardakçi weiterschreibt, wieder etwas Merkwürdiges: Recai Kutan, der damalige Vorsitzende der Tugendpartei (der auch Erdogan angehörte) trat auf den Plan und verteilte das angeblich vollständige Ziya-Gökalp-Gedicht. Dieses Gedicht begann mit den von Erdogan in Siirt rezitierten Versen. Die erste Strophe bestand aus vier Versen, den beiden Minarettenversen und noch zwei weiteren. Die restlichen drei Strophen aber hatten statt vier fünf Verse. Außerdem harmonierte die erste Strophe auch im Reimschema und im poetischen Aufbau nicht mit den restlichen drei Versen. Das war schon mal merkwürdig.

Die miteinander harmonierenden Strophen zwei bis vier waren aber tatsächlich von Ziya Gökalp, und zwar aus einem Gedicht mit dem Titel “Soldatengebet” (aus dem Jahr 1913). Das von Kutan verbreitete Gedicht war also mit großer Wahrscheinlichkeit eine Fälschung (und so war es auch, wie sich zeigen sollte). Die erste Strophe des Originalgedichts “Soldatengebet” fehlte und war durch den Vierzeiler mit den Minarettenversen ersetzt; außerdem fehlte auch die zweitletzte Strophe des Originalgedichts. Hier die beiden Versionen in Prosaübersetzung:

Das Originalgedicht von Ziya Gökalp aus dem Jahre 1913:

Soldatengebet

In meiner Hand ist das Gewehr, in meinem Herzen der Glaube.
Meine Wunsch ist zweierlei: Religion und Vaterland.
Mein Heim ist das Heer, mein Führer der Sultan,
Steh dem Sultan bei, mein Gott!
Laß den Sultan lange leben, mein Gott!

Unser Weg ist der Krieg, sein Ende das Märtyrertum,
Unsere Religion will Dienst aus vollem Herzen,
Unsere Mutter ist das Heimatland, unser Vater die Nation,
Laß das Vaterland erblühen, mein Gott!
Mach die Nation glücklich, mein Gott!

Meine Fahne ist der Monotheismus, meine Flagge der Halbmond,
Die eine ist grün, die andere rot,
Nimm Rache am Feind, der dem Islam ein Schmerz ist,
Gib dem Islam Ewigkeit, mein Gott!
Vernichte den Feind, mein Gott!

Kommandanten und Offiziere sind unsere Väter.
Unteroffiziere und Obergefreite sind unsere älteren Brüder.
Rang und Respekt sind unsere Gesetze
Ordne das Heer, mein Gott!
Laß die Fahne obsiegen, mein Gott!

Wie viele hübsche Burschen auf dem Schlachtfeld
Wurden zu Märtyrern für Religion und Heimat!
Ihr Heimatherd soll rauchen, die Hoffnung nicht erlöschen,
Mach den Märtyrer nicht traurig, mein Gott!
Mach seinen Stamm nicht schwach, mein Gott!

Die von Kutan 1998 an die Presse verteilte Version:

Die Minarette sind Bajonette, die Kuppeln Helme
Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Gläubigen Soldaten
Dieses Gottesheer behütet meine Religion
Allahu Akbar, Allahu Akbar.

Unser Weg ist der Krieg, sein Ende das Märtyrertum,
Unsere Religion will Dienst aus vollem Herzen,
Unsere Mutter ist das Heimatland, unser Vater die Nation,
Laß das Vaterland erblühen, mein Gott!
Mach die Nation glücklich, mein Gott!

Meine Fahne ist der Monotheismus, meine Flagge der Halbmond,
Die eine ist grün, die andere rot,
Nimm Rache am Feind, der dem Islam ein Schmerz ist,
Gib dem Islam Ewigkeit, mein Gott!
Vernichte den Feind, mein Gott!

Wie viele hübsche Burschen auf dem Schlachtfeld
Wurden zu Märtyrern für Religion und Heimat!
Ihr Heimatherd soll rauchen, die Hoffnung nicht erlöschen,
Mach den Märtyrer nicht traurig, mein Gott!
Mach seinen Stamm nicht schwach, mein Gott!

Wie Bardakçi schreibt, wurde das Soldatengebet erstmals 1913 veröffentlicht, als gerade der Balkankrieg wütete. Mit dem im Gedicht erwähnten “Feind” seien die Bulgaren und andere Balkanvölker gemeint, mit denen die Türken im Krieg lagen.

Bardakçi schreibt, daß das von Kutan vorgebrachte verfälschte und gekürzte Soldatengebet durch diese Manipulation einen “militanten Charakter” angenommen habe, den das Original nicht aufweise; dieses sei in einem “patriotischen” und nicht, wie das verfälschte Gedicht in einem “religiösen Geist” geschrieben.

Das ist eine bemerkenswerte Aussage. Natürlich wurde das islamische Element durch die Manipulation verstärkt, aber das Originalgedicht von Gökalp hat gleichwohl einen unverkennbar starken Bezug zum Islam. In jeder Strophe ist Islam (als religiöses Element) und Vaterland (als säkulares Element) zu einer untrennbaren Zweieinheit verquickt.

Die aufgepfropfte Fremdstrophe im manipulierten Gedicht enthält freilich keinen patriotischen (säkularen) Bezug, sondern nur einen islamischen: Das Heer erscheint als reines, einzig dem Islam dienendes Gottesheer. Dafür wurde die zweitletzte Strophe des Originals, in dem das Heer mit rein säkularen Begriffen beschrieben wird (Kommandanten und Offiziere sind Väter, Unteroffiziere und Obergefreite sind große Brüder, das Gesetz ist – nicht der Islam, sondern – Rang und Respekt; es ist auch die einzige Strophe, in der der Islambezug nur in den beiden letzten Versen, in denen Gott angerufen wird, vorkommt) gestrichen. Diese Manipulation macht in den Augen Bardakçis das gesamte gefälschte Gedicht zu einem nicht mehr “patriotischen”, sondern zu einem “religiösen” und “militanten” Gedicht.

Man kann dies als eine Illustration dafür sehen, daß sich Islamisten und Säkularisten in der Türkei in einem wichtigen Punkt doch einig zu sein scheinen, nämlich in dieser Zweieinheit Vaterland-Islam, die für beide Lager das Türkentum ausmacht. Beide Lager scheinen sich nur darin zu unterscheiden, daß sie die beiden Elemente dieser Zweieinheit verschieden gewichten. Denn auch die Säkularisten (Kemalisten) rühren den Status des Islams als Staatsreligion nicht an. Sie hatten sich bemüht, den Islam zu zähmen und, von säkularen Kräften überwacht, in den Dienst des Säkular-Patriotischen zu stellen, ihn dem säkular-patriotischen Gedanken unterzuordnen. Die Islamisten dagegen zielen umgekehrt darauf ab, daß das Patriotische vom Islam dominiert und überwacht wird.

Wie Bardakçi weiterberichtet, brachte Recai Kutan auch eine Geschichte zur Entstehung seines vorgelegten gefälschten Gedichts vor. Demnach soll während des Türkischen Befreiungskriegs (1919 bis 1923), und zwar zu einer Zeit, als die nationale Bewegung des Mustafa Kemal (des späteren Atatürk) in einer finanziellen Notlage stak, ein gewisser Hasan Fehmi Ataç dem Mustafa Kemal den Vorschlag gemacht haben, Moscheen als Kasernen zu benutzen, aus dem Blei ihrer Kuppeln Kugeln zu schmelzen und die Halbmondspitzen der Minarette zu Bajonettspitzen umzuschmieden. Mustafa Kemal habe daraufhin Hasan Fehmi Ataç sofort zum Schatzmeister ernannt und die Umsetzung seiner Vorschläge angeordnet. Dies habe damals Ziya Gökalp zu dem Gedicht, das Kutan vorlegte, inspiriert. Wie Bardakçi nachweist, ist aber auch diese Geschichte erfunden, da sie in mehrerer Hinsicht den nachweislichen historischen Fakten widerspricht.

Erdogans Parteifreund Kutan hatte damit eine andere Deutung der Minarettenversen ins Spiel gebracht als die, auf die sich Erdogan selbst in seiner Verteidigung vor Gericht berief. Nach Erdogan (3) beziehen sich die Majonettenverse auf die Schlacht von Mantzikert (1071) zwischen den Byzantinern und den Seldschuken. Es seien die von Ziya Gökalp in lyrische Form gegossene Antwort des seldschukischen Sultans Alp Arslan auf den Ausspruch des byzantinischen Kaisers Romanos IV. Diogenes:

“Ich will den Koran zerreißen,
Ich will die Kaaba abreißen,
Damit niemand, der in den Osten kommt,
die Kuppeln mit den Minaretten sieht.”

Als Bardakçis Artikel in der Hürriyet erschienen ist, erhält er prompt von einem Leser eine E-Mail, in der das Geheimnis der Autorenschaft der Minarettenverse gelüftet wird, und Bardakçi berichtet darüber gleich am folgenden Tag in der Zeitung (4). Der wirkliche Autor der Minarettenverse ist der Vater des E-Mail-Schreibers, ein kaum bekannter 1981 verstorbener Dichters namens Cevat Ördek. Die Minarettenverse sind die Anfangsverse seines Gedichts “Gottesheer”, das er in zwei seiner Gedichtbände veröffentlicht hatte. Die erste Strophe des Gedichts “Gottesheer” ist zudem identisch mit der ersten Strophe des von Kutan verbreiteten getürkten Ziya-Gökalp-Gedichts. Das Gedicht “Gottesheer” war sogar, wie der E-Mail-Schreiber mitteilt und wie Bardakçi verwundert zur Kenntnis nimmt, mit richtiger Autorennennung am 13 Mai 1999 in der Zeitschrift “Tempo Dergisi” wiederveröffentlicht worden, ohne daß das irgend jemandem aufgefallen war, was wirklich sehr verwunderlich ist, angesichts des Wirbels und der Ziya-Gökalp-Debatten, die Erdogans Minarettenverse ausgelöst hatten.

Laut Urteil des Kassationsgerichts (5) wurde Erdogan nach Paragraph 312 des Türkischen Strafgesetzbuchs wegen Aufhetzung des Volkes zu Haß und Feindschaft durch Spaltung des Volkes in religiöser Hinsicht verurteilt. Er habe das Volk in zwei Lager gespalten, nämlich in das Lager derer, “‘die dem Diener dienen’, also das kemalistische, laizistische Lager” und das Lager derer, “‘die Gott dienen’, also die Muslime, die die Scharia in den Islam integrieren”. Damit habe er faktisch “zum Krieg aufgerufen”.

Obgleich das Kassationsgericht in seiner Urteilsschrift schreibt, daß “religiöse Gefühle gemäß des Grundsatzes des Laizismus nicht in Staatsangelegenheiten und in die Politik vermischt werden dürfen”, und daß Erdogan sich des Verstoßes gegen diesen Grundssatz schuldig gemacht habe, beruft sich das Kassationsgericht in derselben Urteilsschrift auch auf den Koran (und vermischt damit selbst Religion in eine – juristische – Staatsangelegenheit). In der Urteilsschrift heißt es:

 “Die Religion des Islam ist eine Religion des Friedens und der Brüderlichkeit. Unter den Muslimen darf keine Spaltung betrieben werden. Es liegt nicht im Ermessen des Angeklagten, festzulegen, wer bei Allah der beliebtere Muslim ist. In Sure 41 Vers 8 heißt es: ‘Wenn zwei Gruppen der Gläubigen miteinander streiten, so stellt die Eintracht unter ihnen wieder her’. Der Angeklagte aber hetzt, wenn auch versteckt, eine Gruppe gegen eine andere auf.”

Darin zeigt sich wieder die patriotisch-islamische Zweieinheit des Türkentums. Offiziell wird Erdogan natürlich aufgrund eines Paragraphen des säkularen Strafgesetzbuches wegen Volksverhetzung verurteilt (Säen von Untracht in der Nation). Gleichzeitig wird aber auch darauf hingewiesen, daß sich Erdogan auch eines religiösen Vergehens, nämlich der Fitna (Säen von Untracht in der Umma) schuldig gemacht habe.

Erdogan sieht es natürlich anders herum: Aus seiner Sicht hat das säkulare Lager die Zwietracht gesät und das Volk in diejenige, die “dem Diener dienen” und diejenige, “die Gott dienen” gespalten. Genau davon handelte ja seine Rede in Siirt.

Erdogan kommentierte seine Verurteilung wie folgt (6):

 “Das Gedicht, das ich zitiert habe, ist kein Gedicht, das ich da zum ersten Mal rezitiert habe. Schon von meiner Schulzeit an habe ich dieses Gedicht wohl hunderte mal rezitiert. Ich habe es auch auf dem Taksim-Platz [zentraler Platz in Istanbul] rezitiert, ich habe es vor hunderttausenden Menschen rezitiert. Damals ist aber nichts passiert. Warum? Erst mal ist dieses Gedicht ein Gedicht von Ziya Gökalp. Es steht in einem Buch, das das Türkische Institut für Normung herausgegeben hat. Es ist ein Gedicht, das vom Ministerium für Nationale Erziehung, vom Hohen Ausschuß für Lehre und Erziehung empfohlen wird. Wenn Sie die Rede inhaltlich als Ganzes betrachten, finden Sie darin keine Religions-, Sprachen- oder Rassendiskriminierung, sondern ganz im Gegenteil eine Vereinigung. Eine derartige Vereinigung, daß die Menschenmenge – und es waren Araber, Kurden mit auf dem Platz – nach der Kundgebung ohne Streit und Lärm auseinander ging. Hand in Hand, Schulter an Schulter gehen sie auseinander, und als ich sie frage: “Reicht es euch nicht, Bürger der Türkischen Republik nicht?” bekomme ich von ihnen die Antwort: “Das reicht uns!” Wir haben mit einem gemeinsamen Treffen, einer Rede eine solche Verbundenheit erweckt auf diesem Platz, daß unsere Bürger danach Hand in Hand und Schulter an Schulter auseinandergingen. Und leider werde ich nun von einer Stelle, von der ich eine Bewertung entgegen nehmen muß, mit einem solchen Ergebnis konfrontiert.”


Quellen:
(Anmerkung 2018: Alle Links sind nicht mehr aktiv!)

Weltwoche: http://www.weltwoche.ch/artikel/?AssetID=16471
(1) <a href="http://dosyalar.hurriyet.com.tr/hur/turk/98/09/24/gundem/12gun.htm">Hürriyet 24.09.1998</a>
(2) Murat Bardakçis erster Artikel: <a href="http://hurarsiv.hurriyet.com.tr/goster/haber.aspx?id=99109&yazarid=28">Hürriyet 22.09.2002</a>
(3) <a href="http://arsiv.sabah.com.tr/1998/09/05/y02.html">Sabah 05.09.1998</a>
(4) Murat Bardakçis zweiter Artikel: <a href="http://hurarsiv.hurriyet.com.tr/goster/haber.aspx?id=99286&p=2">Hürriyet 23.09.2002</a>
(5) <a href="http://www.akumil.gen.tr/modules/AMS/print.php?storyid=790">Urteilsschrift des Kassationsgerichts</a> oder Bericht darüber in <a href="http://dosyalar.hurriyet.com.tr/hur/turk/98/09/26/gundem/11gun.htm">Hürriyet 26.09.1998</a>
(6) <a href="http://www.radikal.com.tr/haber.php?haberno=56867">Radikal 17.11.2002</a>

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