Donnerstag, 16. März 2017

Merkel nicht froh, wenn das Volk was zu sagen hat,


Uff.
Eckhard Henscheid

und zwar gerade auch dann, wenn es zuvor jahrzehntelang gar nichts zu sagen hatte, wie der folgende denkwürdige Merkelsche Ausspruch, geäußert am 17. 11. 2016 auf der Pressekonferenz anlässlich des Besuchs des scheidenden 44. US-Präsidenten Obama, zeigt:

«Aber was nicht sein kann ist, dass die, die bestimmten Gruppen zugeordnet werden, sagen: "Wir sind jetzt das Volk. Und der Rest ist nicht das Volk." Dazu bin ich damals in der DDR nicht froh gewesen, dass das Volk dann was zu sagen hatte, nachdem es das viele Jahrzehnte nicht hatte.»

Nachzuhören ist der Redeausschnitt hier.

Merkel meinte es offenbar schon genau so, wie sie es sagte. Die Sätze wurden jedenfalls nicht sinnentstellend aus dem Kontext gerissen, wie das Video der gesamten Pressekonferenz zeigt. Der Redebeitrag von A. Merkel, aus dem diese Sätze stammen (ab Minute 36), sei hier auch noch mal schriftlich festgehalten:

«Ja erstens zu der Frage der Eigenständigkeit. Deutschland hat nach der Zeit des Nationalsozialismus grade auch von den Vereinigten Staaten von Amerika unglaublich viel Hilfe bekommen. Die Tatsache, dass die deutsche Einheit hat stattfinden können, ist unter anderem, und ganz besonders auch den Vereinigten Staaten von Amerika zu verdanken. Und Deutschland ist jetzt, seitdem es diese Einheit gibt, noch stärker in der Lage, seinen Beitrag auch zu leisten, um die Ordnung, die wir lieben, für die sich auch die Menschen gerade in der DDR eingesetzt haben, um diese Ordnung weltweit aufrechtzuerhalten oder zumindest in unseren Ländern aufrechtzuerhalten. Und da werden wir und leisten wir ja heute schon einen stärkeren Beitrag als das vor 27 Jahren der Fall war, und da werden wir in einigen Bereichen weiter einen starken Beitrag leisten müssen, und wir werden alle mehr uns um Entwicklungshilfe kümmern müssen, es geht nicht nur um militärisches Engagement, sondern es geht darum, dass die Unterschiede der Lebensqualität in Zeiten der Digitalisierung weltweit nicht beliebig groß sein können. Jeder muss die Chance auf Entwicklung haben. Und deshalb ist Deutschlands Schicksal gebunden an die Einbindung in Bündnisse in die Europäische Union, in die Nato. Da geht es nicht um Eigenständigkeit; mit 80 Millionen Menschen werden Sie auf der Welt alleine nicht besonders viel erreichen, selbst wenn Sie ökonomisch stark sind, was wir ja auch weiter sein wollen. Das heißt also, Bündnisse sind für uns Teil unseres Schicksals, unserer Zukunft, und das ist auch das, was mich in meiner Politik leitet und auch die ganze Bundesregierung leitet.

Zweitens, die Populismuswelle von Amerika... also ich sag mal ein Blick ins Europäische Parlament, äh, zeigt Ihnen, dass, ähm, wir, äh, von Menschen, die einfache oder ablehnende Antworten suchen, ähm, ja nicht, ähm, frei sind in der Europäischen Union, und auch in Deutschland gibt es diese Tendenzen. Ich glaube zutiefst, ähm, dass, es knüpft auch an das  an, was der Präsident eben gesagt hat, die Digitalisierung ist eine, wie man heutzutage sagt, disuptive technische Entwicklung, mit tiefgreifenden Veränderungen unserer Gesellschaft. Und wenn Sie sich mal angucken, was die Erfindung der Buchdruckerkunst für Folgen gehabt hat, was die Industrialisierung für Folgen gehabt hat, dann hat das immer auch erhebliche gesellschaftliche Auswirkungen gehabt, und es hat immer eine bestimmte Zeit gedauert, ehe Gesellschaften gelernt haben, wie sie dafür wieder die richtigen Leitplanken einsetzen müssen, und wir leben in einem mindestens so tiefgreifenden Wandel im Augenblick, wie das zur Zeit des Übergangs von der Agrarwirtschaft zur industriellen Wirtschaft war. Und mit, äh, dem Verlassen ganzer Produktionszweige aus bestimmten Regionen zum Beispiel gibt es Menschen, die fragen sich, wo ist meine Rolle in dieser Welt. Und darauf müssen wir natürlich alle Antworten finden, das haben wir hier bei uns in Deutschland, das hat man wo anders, und die Gesellschaften zusammenzuhalten, Ältere und Jüngere, die, die im ländlichen Raum leben, die, die in den Städten leben, das gehört heute zu den vornehmsten, wichtigsten Pflichten von Politik, alle zu beteiligen. Aber was nicht sein kann, ist, dass die, die bestimmten Gruppen zugeordnet werden, sagen: "Wir sind jetzt das Volk. Und der Rest ist nicht das Volk." Dazu bin ich damals in der DDR nicht froh gewesen, dass das Volk dann was zu sagen hatte, nachdem es das viele Jahrzehnte nicht hatte. Und deshalb, glaube ich, brauchen wir natürlich immer wieder auf neue Gegebenheiten neue Antworten, aber die Prinzipien haben Bestand. Und wir werden Geduld brauchen, wir werden neue Formen der Ansprache brauchen, aber ich bin auch optimistisch, dass wir das lösen können.

Und jetzt, ähm, fällt mir der Abschied schwer. Na klar, äh, wenn man mit jemandem gut zusammengearbeitet hat, dann fällt der Abschied auch schwer. Aber wir sind auch alle Politiker und Demokratie lebt vom Wechsel. Ähm, und insofern, äh, ist das bei den, in den Vereinigten Staaten nun in der Verfassung sehr hart vorgegeben. Acht Jahre und dann kommt ein neuer Präsident. Und insofern, ähm, insofern, äh, ist, ähm, die Aufgabe, wenn es im deutschen Interesse ist, gute transatlantische Beziehungen zu haben, einfach auch nach vorne zu gucken, und wenn wir uns persönlich begegnen wollen, schließt das ja der freie Reiseverkehr, den wir ja Gott sei Dank in allen Teilen Deutschlands haben, nicht aus und insofern sind wir ja nicht, äh,  aus der Welt, wie man bei uns sagen würde»